VERSENGENDER HEET

Kapitel 1

Dani

 

Meine Hand zitterte wie ein Vibrator, als ich das Telefonat beendete.

„Ich hab’s getan! Ich kann nicht glauben, dass ich es getan habe!“

Ich sprang auf und mein Stuhl rollte auf die Glaswand des Konferenzraums zu. Er knallte mit einem lauten Krachen dagegen. Das musste wohl jemanden erschreckt haben, denn der Bewegungssensor ließ die Lichter drüben über dem Dschungel der Arbeitsabteile angehen. Ich sah zu dem leeren Raum hinüber und erblickte niemanden. Das heißt, bis ich die eine Person sah, die ich zu sehen liebte.

Ich umrundete schnell den Tisch, verließ den Raum und rannte zu Jax hinüber. Er war für meinen Erfolg verantwortlich gewesen und ich musste ihm danken. Also rannte ich hinüber, warf meine Arme um den gut gebauten Mann und küsste ihn auf die Lippen.

„Dein Kontakt hat hingehauen“, erzählte ich dem überraschten Mann. „Ich bin drin!“

„Oh, wie großartig!“, sagte er unsicher darüber, wie er reagieren sollte.

Hätte ich gerade eben einfach meinen Kollegen küssen sollen? Mein gesunder Menschenverstand sagte mir, dass ich es nicht hätte tun sollen. Aber scheiß drauf, nicht wahr? Er war hinreißend, verdammt sexy und seit Monaten ging da diese Werden-sie-oder-werden-sie-nicht-Sache zwischen uns vor. Jemand musste sich mal entscheiden, also tat ich es. Sie werden!

„Ist Ed da?“, fragte ich ihn und ließ mein ADS die Oberhand gewinnen.

„Ich glaube, er ist vor etwa einer Stunde weg“, erwiderte Jax und sah immer noch etwas unangenehm berührt aus.

Ich ließ von diesem Leckerbissen von Mann ab und joggte zu Eds Büro hinüber. Als fülliges Mädchen war Jogging nicht wirklich etwas, das ich tat, doch außergewöhnliche Situationen bedurften außergewöhnlicher Maßnahmen, nicht wahr?

Ich erreichte seine geschlossene Tür und schaute durch die danebenliegende Glaswand. Die Lichter waren aus. Er war wirklich nicht da. Jax hatte recht gehabt. Es war nicht so, dass ich ihm nicht geglaubt hatte, sondern eher der Umstand, dass mein Motto lautete: vertraue, aber überprüfe es. Das war etwas, das mir Ed beigebracht hatte.  

Ed war mein Redakteur und hatte mir eine Menge Dinge beigebracht. Seit der Zeit, als ich bei der Zeitung angefangen hatte, hatte er mich unter seine Fittiche genommen. Es gab eine ganze Reihe an Dingen, die ich nicht gewusst hatte, als ich hier mit 22 Jahren angefangen hatte. Verdammt, was wusste ein Mädchen, das gerade frisch vom College kam überhaupt? Nun, er war derjenige, der mir alles beigebracht hat.

Als ich meine ersten Storys einreichte, war er es, der sich mit mir hingesetzt hat und seinen berühmten lila Stift benutzt hat, um mir all die Dinge aufzuzeigen, die ich falsch gemacht hatte. Nur so ganz am Rande, ich hatte alles falsch gemacht. Und es war Ed gewesen, der mich zu sich ins Büro gerufen und mit mir geredet hatte, nachdem mein Herz zum ersten … zweiten … und dritten Mal gebrochen worden war.

Ich habe viel Zeit gebraucht, um jedwede Lektion zu lernen. Ed war derjenige, der sich die Zeit genommen hatte, um sie mir beizubringen. Es war nicht so, dass ich dumm war. Weit gefehlt. Es war eher so, dass ich stur war. Ich bin verdammt stur und stolz darauf.

Ed hat mich aber trotzdem nie aufgegeben. Er drängte und wies mich immer wieder darauf hin, besser zu schreiben und einfach alles besser zu machen. Und nun, da ich auf dem besten Weg war, die Story des Jahrhunderts zu bekommen, war er derjenige, dem ich davon erzählen wollte. Ich zitterte förmlich vor Aufregung, es ihm zu erzählen. Was sollte ich nun mit all meiner Energie anfangen, jetzt, da Ed nicht da war?

„Jax!“, rief ich durch das leere Büro. „Wir müssen ausgehen und feiern.“

Obwohl er mich gehört hatte, erwiderte Jax nichts, bis ich direkt vor ihm stand.

„Ich muss das Knicks-Spiel noch beenden“, sagte er und zeigte auf das Basketballspiel, das auf seinem Telefon lief.

„Nun, lass es mich für dich zusammenfassen. Die Knicks haben in drei Vierteln vorn gelegen, bis der Star des anderen Teams einen Korb gemacht hat und sie auf einen Siegespfad geführt hat. Im letzten Viertel wurden die Knicks niedergemacht. Bitteschön, ich habe dir soeben 2 Stunden Lebenszeit gerettet.“

„Dani, jeder Knicks-Fan kann dir das erzählen. Meine Leser verlassen sich darauf, dass ich ihnen genau berichte, um wie viel sie verloren haben und warum sie weiter einen Hoffnungsschimmer angesichts solcher offensichtlichen Hoffnungslosigkeit tragen sollten. Dani, das ist meine Arbeit.“

Jax schaute mich mit absoluter Aufrichtigkeit an, aber das war sein trockener Sinn für Humor. Er war sogar ziemlich witzig. Die meisten Leute verstanden das nicht, weißt du, weil er niemals lächelte, wie ein Linebacker gebaut war und kaum redete. Aber er redete mit mir. Dadurch wusste ich, dass er auf mich stand. Oder zumindest war es das, was ich mir sagte, um unsere unausgesprochene Romanze am Leben zu erhalten.

„Wie lange läuft das Spiel noch?“

„Die Uhr zeigt noch zwei Minuten an.“

„Wenn mal also noch die Fouls mit einrechnet …“, dachte ich nach. „Dreißig Minuten?“

„So in etwa“, sagte er mit etwas, das für seine Verhältnisse annähernd einem Lächeln ähnelte.

„Okay, hier mein Vorschlag. Du wirst dein Spiel zu Ende ansehen, die Anzahl der Punkte eingeben, um die sie verloren haben, und mich dann im ‚Flannery‘s‘ treffen. Verstanden?“

„Verstanden.“

Da wir noch nie allein zusammen abgehangen und er ein bisschen zu schnell geantwortet hatte, fragte ich noch einmal nach. „Du wirst mich nicht in der Bar hängen und allein feiern lassen, nicht wahr?“

„Wir sehen uns da“, stimmte er zu.

„Denn wenn ich mich da betrinke und mit irgendeinem Kerl heimgehe, der mich umbringt, dann wirst du dich deswegen schlecht fühlen“, sagte ich, weil ich ihm immer noch nicht ganz glaubte.

„Ich werde dich dort treffen. Versprochen.“

„Okay. Gut. Dann fang ich schon mal mit dem Trinken an“, erwiderte ich mit einem Lächeln und einem Zwinkern.

Ja, ich habe Jax zugezwinkert. Na und? Ich war in guter Stimmung. Nach heute Abend war ich mir sicher, dass in meiner Zukunft ein Pulitzerpreis vorkommen würde. Und wenn nicht, dann auf jeden Fall zumindest ein Peabody Award.

Ed besaß mehr als einen. Er hatte ein ganzes Regal davon. Und er hatte zwei bekommen, ehe er dreißig war. Ich hinkte hinterher. Doch mit den Informationen, die ich heute Abend von Jax‘ Kontakt bekommen hatte, war ich mir sicher, würde ich aufholen.

Ich ging auf die Toilette, bevor ich das Gebäude verließ, tat, was ich tun musste, und sah in den Spiegel, während ich mir die Hände wusch. Die Dinge waren für mich eine lange Zeit nicht gut gelaufen.  Aber ich musste zugeben, dass die Dinge anfingen, besser zu werden. Jeder der mich kannte, würde dir sagen, dass ich nicht dafür bekannt war, gute Entscheidungen zu treffen. Meine Mutter, die mir da in nichts nachstand, würde mir ständig sagen, dass ich zu impulsiv war. Ich hasste es, das als Kind zu hören.

Ed hatte recht. Ich war einfach leidenschaftlich. Ich brauchte lange, um das zu verstehen. Und als ich es dann verstanden hatte, war ich in der Lage, diese Leidenschaft wie einen Laser auf etwas zu richten. Das hielt das Gefühl jedoch nicht auf, das ich bekam, wenn ich so aufgeregt war, dass ich zitterte und es herauslassen musste wie Supergirl, das die Kraft der Sonne kanalisierte. Doch das war der Grund, aus dem Jax sich mit mir traf, nicht wahr? Er redete nie viel, aber er konnte mit seinen Blicken Bände sprechen.

Während ich zur Bar lief, dachte ich an das erste Mal, dass ich Jax getroffen hatte. Es war vor einem Jahr gewesen, als Ed ihn als den neuen Sportreporter vorgestellt hatte. Augenscheinlich hatte er einige Jahre professionellen Football gespielt, seine Karriere war aber durch eine Verletzung zu einem Ende gekommen. Soweit ich sagen konnte, ärgerte er sich immer noch darüber. Und nach einigem Herumwühlen fand ich heraus, dass er eine Reihe von kurzen Beziehungen hatte, er in einem Sandsteinhaus in Brooklyn lebte und zwei Bulldoggen besaß, die beide auf den Namen Hund hörten.

Ich könnte dir auch erzählen, was er ihnen füttert, wie oft er mit ihnen Gassi geht und welche Typ Frau er auf der Hundewiese betrachtet, wenn er mit ihnen dahin geht. Wenn ich dir also sage, dass die Namen seiner Hunde ‚Hund‘ sind, dann kannst du mir vertrauen.

Und damit du keinen falschen Eindruck von mir bekommst, lass mich dir sagen, dass ich eine Enthüllungsjournalistin bin. Es ist meine Arbeit, die Details herauszubekommen. Wenn ich mir nicht meinen Weg in den Journalismus gebahnt hätte, wäre ich dann eine Stalkerin mit einer Reihe von einstweiligen Verfügungen geworden? Vielleicht.

Alles, was ich dazu sagen kann, ist, danke, Ed! Der Mann hat mir beigebracht, wie ich meine Energien für das Gute anstatt das Schlechte nutze. Ich weiß wirklich nicht, was für eine Person ich ohne ihn geworden wäre. Also ich meine neben der Person, die die gründlichsten Hintergrundrecherchen vor ihren Dates macht. In diesem speziellen Fall sagte mir meine gründliche Hintergrundrecherche, dass ich auf jeden Fall Jax‘ Typ bin und dass er seit Monaten niemanden mehr traf.

Das war schwer zu glauben, wenn man bedachte, wie er aussah. Jax war der Typ Mann, für den jede Frau ihre beste Freundin einem Vulkan opfern würde. Er war schlichtweg sexy. Er hatte ein paar Tattoos, aber nicht zu viele. Und ganz gleich, wie sehr ich nachforschte, es umgab ihn weiterhin ein Hauch von Geheimnis. Er war wie das Geburtstagsgeschenk, das man zerfleischen musste.

Es hatte so viele Nächte gegeben, in denen ich wach lag und an ihn gedacht habe, dass, falls meine Klitoris jemals zu Tode gerieben würde, er dafür verantwortlich wäre. Und jetzt sollte er mit mir zur Feier des Tages etwas trinken? Verdammt, ja! Immer her damit!

Ich trat in die mir vertraute Bar ein und sah mich um. Es waren nicht viele Stammgäste da. Das lag wohl an der Zeit. Direkt nach der Arbeit war das Lokal ziemlich voll. Doch die meisten Leute waren inzwischen zu ihren Familien nach Hause gegangen. Die Einzigen, die noch übrig waren, waren die traurigen Kneipenhocker und die Geschäftsmänner, die in den nahegelegenen Hotels übernachteten.

Das war gar nicht mal so schlecht. Die sich immer ändernde Auswahl an Geschäftsleuten trug zur Vielfalt bei. Versteh mich nicht falsch. Ich rede nicht davon, mit ihnen zu schlafen. Man konnte gut mit ihnen reden. Ich hatte mehr als eine Schlagzeile durch eine spätabendliche Begegnung in dieser Bar bekommen. Wenn ich so darüber nachdachte, hatte ich aber auch ziemlich guten Sex.

Hey, ich hatte gesagt, dass ich nicht mit ihnen geschlafen habe. Ich kann dir versichern, dass es keine Schäferstündchen gab.

Das war allerdings ein jüngeres Ich, das so etwas getan hat. Ich bin seitdem reifer geworden. Die einzige Gelegenheit, zu der ich dieses Lokal jetzt besuchte, war direkt nach der Arbeit, wenn ich mit meinen Journalistenkollegen etwas trinken ging. Und wenn die ganzen Lahmärsche zu ihren Familien nach Hause gingen, ging ich auch.

Machte es einen Unterschied, dass zuhause nichts weiter auf mich wartete, als ein stark genutztes Netflix-Abo? Nein. Aber ich war jetzt eine respektable Journalistin. Ed hat mir das beigebracht … und es war scheiße!

„Zwei Fingerbreit Dewar‘s“, bestellte ich einen Whiskey beim Barkeeper.

„Kommt sofort“, erwiderte der mir unbekannte Mann.

Ich kannte diesen Barkeeper nicht. Wie lange war es her, dass ich hier gewesen war? Oder arbeitete er nur in der Nachtschicht? Wie dem auch sei, er hatte etwas an sich, dass mich scharf machte. Als ich mich in den Räumlichkeiten umsah, fiel mir auf, dass einige Kerle das taten. Mann, vermisste ich mein altes Ich. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hätte ich sie einen nach dem anderen abgeklappert und mir genommen.

Gut, das mag jetzt ein wenig übertrieben gewesen sein. Aber ich verspreche, dass es eine spaßige Nacht geworden wäre. Die Wahrheit ist, dass ich noch nie gleichzeitig mit zwei Kerlen zusammen gewesen bin. Wie heiß wäre das denn, bitteschön? Verdammt, ich kann es mir nur vorstellen. Das war allerdings nichts, was eine angesehene Journalistin tat. Noch einmal: danke, Ed!

Nachdem dreißig Minuten gekommen und gegangen waren und meine zwei Fingerbreit Whiskey zu vier wurden, fing ich an zu verstehen, wie die Nacht verlaufen würde. Die Dinge hatten mit Jax zu einfach gewirkt. Was hatte ich erwartet – dass ich ihn auf ein paar Drinks einlud, er annahm und die Nacht mit Sex endete?

Natürlich würde es mit Jax nicht so laufen. Es war nie einfach mit ihm. Man konnte nicht so einfach mit ihm reden oder ihn kennenlernen. Vor einem Monat habe ich ihm eine Textnachricht geschrieben und gefragt, wie es ihm geht, und noch immer warte ich auf eine Antwort. Dieser Mann war eine verschlossene Truhe und es war unglaublich frustrierend.

Nun, wenn er dachte, dass er mir meine Nacht ruinieren würde, dann hatte ich noch etwas anderes in Hinterhand. Ich habe ja bereits erwähnt, wie scharf die Kerle heute Abend in der Bar waren. Warum also sollte ich allein nach Hause gehen, wenn es noch immer etwas zu feiern gab?

Die Frage war, wer würde der glückliche Typ sein, dessen Nacht ich versüßen würde? Ich sah mich im Raum um und sah einige großartige Anwärter. Zumindest dachte ich, dass ich das tat. Vier Fingerbreit Whiskey waren viel. Auf der einen Seite hatte es mich die verrückten Dinge abwerfen lassen, die Ed mir in den Kopf gesetzt hatte, was es hieß, respektabel zu sein. Auf der anderen … wovon habe ich gerade noch mal gesprochen?

„Ist das Scotch?“, fragte jemand hinter mir.

Ich drehte mich um, um nachzusehen. Ihn erblickte ich. Oh, gottverdammt!

Jetzt kommt der furchteinflößende Teil. Es bestand die Möglichkeit, dass ich nach Betreten der Bar gestorben war, denn ich sah gerade definitiv einen Engel an. Ein sündhaft heißer Engel wie aus einem feuchten Traum.

„Barkeeper, gib mir das, was sie hat“, sagte er mit dem sexyesten britischen Akzent überhaupt.

Während ich das Geschenk der Götter angaffte, setzte er sich auf den Hocker neben mich und sah mich an. Es war, als wartete er darauf, dass ich etwas sagte. Ich war sprachlos. Das war sehr untypisch für mich. Seine Schönheit hatte mich zum Verstummen gebracht. Was geschah mit mir?

Der hinreißende Mann lehnte sich vor.

„Ich bin noch nie hier gewesen. Aber weißt du, was ich an diesem Ort mag?“

Ich konnte immer noch nicht sprechen. Er zeigte über meine Schulter und ich drehte mich um, um hinzusehen.

„Dieses Schild sagt ‚Gegründet 1896‘. Und es ist in Neonfarbe. Authentischer als das geht’s nicht mehr.“

„Soll das Britischer Humor sein?“, fand ich plötzlich meine Stimme wieder … und war irgendwie ziemlich zickig.

„Autsch! Wenn du fragen musst, dann schätze ich mal nicht“, sagte er mit einem kleinen Lachen.

„Nein, das war witzig. Das ist mein britisches Lachen“, sagte ich ausdruckslos.

„Oh, du warst also schon mal in London?“

Ich lachte. „Okay, erwischt“, sagte ich lächelnd. „Stammst du von dort?“

„Unter anderem.“

„Was tust du in New York?“

„Heute Abend? Ich denke, ich habe nach dir Ausschau gehalten“, sagte er und sah mir tief in die Augen.

Urgs! Das Einzige, was noch schlimmer als dieser Aufreißspruch war, war, wie sehr er bei mir zog, denn ich hatte heute Abend definitiv nach ihm Ausschau gehalten. Ich berührte seinen Unterarm, der auf der Bar lehnte. Ich konnte spüren, wie die Muskeln unter seinem sehr teuer aussehenden Hemd spannten.

„Ach ja? Und warum hast du nach mir gesucht?“

„Benutz deine Fantasie“, sagte er und wurde ernster.

Das brauchte er mir nicht zu sagen. Meine Weiblichkeit kribbelte bereits. Dieser Mann musste der bestaussehende Kerl sein, den ich je gesehen hatte, und er war derjenige gewesen, der auf mich zugekommen war. Ich mochte alles an ihm.

„Ich weiß nicht, ich habe eine ziemlich große, blühende Fantasie“, erwiderte ich kokett.

„Es ist gut, dass du große Dinge magst“, sagte er und ich musste schlucken.

„Ich könnte mir vorstellen, dass wir beide von hier verschwinden“, erwähnte ich.

„Ich habe ganz in der Nähe eine Wohnung.“

„Lass uns gehen“, sagte ich und mochte alles, was hier gerade vor sich ging.

Er ließ einen Hundertdollarschein auf die Bar fallen und wir beide rannten praktisch nach draußen. Ich blieb vor dem Lokal stehen und wollte ein Taxi heranwinken.

„Nein, es ist wirklich ganz in der Nähe“, sagte er und streckte seine Hand aus.  

Ich nahm die Hand des Fremden und folgte ihm in die Nacht. Ich muss zugeben, dass ich etwas wackelig auf meinen Füßen stand. Ich versteckte es aber gut. Das würde er niemals bemerken. Das Problem war, dass ich es bemerkte. Und mit jedem Schritt, den ich tat, wurde es immer wackeliger.

Wohin zum Teufel gingen wir überhaupt? Und wie lange waren wir gelaufen? 20 Minuten? Eine Stunde?

„Scheiß drauf“, sagte ich, als eine Gasse auftauchte.

Ich drückte ihn hinein und er widersetzte sich nicht. Es gefiel ihm. Sofort presste er mich an eine Wand und umfing die Seiten meines Gesichts mit seiner Hand. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass seine Hand so groß war. Er war auch bedeutend größer als ich. Wie groß war er, 1,90? Der Mann war riesig. Und als er mich unterwarf, indem er meine Lippen küsste, stimmte ich allem zu, was er als Nächstes mit mir tun wollte.

Ich öffnete meinen Mund und seine Zunge schlängelte sich hinein. Unsere Zungen tanzten umeinander und es fühlte sich so gut an. Als seine große Hand anfing, meine Brust zu massieren, fühlte ich mich sogar noch besser. Ich brauchte ihn noch dringender in mir als Luft zum Atmen. Es war mir egal, wo wir waren. Ich wusste, dass jeder an uns vorbeigehen und uns sehen konnte, doch das erhöhte den Nervenkitzel nur noch mehr. 

Ich bewegte meine Hände von seinem Rücken und packte langsam seinen Hintern. Er war so fest. Der Mann war kein Engel. Er war ein griechischer Gott. Mit diesem Hintern hätte er Nüsse knacken können. Ich liebte es, ihn zu kneten, und so fest, wie er war, fühlte es sich an, als hätte ich zwei straffe Hinterschinken in der Hand.

Ich verlor mich in dem Gefühl und zog seine Pobacken auseinander. Sein Schwanz drückte sich dabei an meinen  Bauch. Da wusste ich, dass der Mann sich nicht über Wert verkauft hatte. Er war nicht nur hart, sondern auch riesig. Ihn auf mir zu spüren, weckte meine Sehnsucht nach ihm noch mehr.

Ich erinnere mich nicht, wann meine Hände von seinen Hintern verschwunden waren, aber irgendwann waren sie es, denn sie fummelten am Knopf seiner Hose herum. Ich konnte es kaum abwarten, sie auszuziehen. Meine Hand schlängelte sich am Reißverschluss vorbei und ergriff seine Männlichkeit. Es war, als nähme ich eine Gurke, die dickste überhaupt. Ich hätte ihn die eine Ewigkeit in meinen Händen halten können, wenn meine Lenden nicht in Feuer gestanden hätten und ich ihn unbedingt in mir hätte haben wollen.

Ich wollte gerade auf meine Knie gehen und ihn verschlingen, als er mich am Arm fasste und mich herumdrehte. Er behandelte mich grob und ich liebte es. Er hielt meine Hände fest und drückte meine Handflächen an die Wand, an die er mich vornüber gebeugt hatte. Er griff um mich, knöpfte meine Hose auf und schob sie über meine Hüften nach unten.

Ich fühlte mich so angreifbar und entblößt. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Glücklicherweise musste ich nichts tun. Er hatte seine große Hand an meine Hüfte gelegt und suchte mit seinem Schwanz nach meinem Loch. Ja, er war riesig. Ich spürte es, als er mit seiner Eichel über meine Klitoris glitt. Es war, als befände sich ein Arm zwischen meinen Beinen. Und als er meine Öffnung fand und zudrückte, konnte ich nur noch stöhnen.

Meine Beine waren gespreizt und sein Schwanz drang geräuschvoll in mich ein. Darauf war ich nicht vorbereitet. Meine Möse spannte sich um ihn herum an, als wäre er ein Eindringling. Vielleicht lag es daran, dass ich mich nicht entspannen konnte. Das änderte sich, als der Fremde mit der freien Hand hinaufreichte und an meinen Haaren zog. Es war zwar nicht direkt das, was man entspannend nennen konnte, aber es war heiß wie verrückt. Er kontrollierte mich auf jede erdenkliche Weise und alles, was ich tun konnte, war, mich seinem Willen zu beugen.

Ich wurde entspannter und er vögelte mich härter. Ich war Wachs in seinen Händen. Sein Griff um mich hielt mich aufrecht. Ohne ihn wäre ich zu Boden gesunken. Beinahe wäre das ohnehin passiert, denn meine Knie wurden weich. Er war zu groß und vögelte zu gut. Ich musste mich zusammenreißen, um auf den Füßen zu bleiben. Ich schrie wie eine rollige Straßenkatze und er folgte mir schnell mit dem Brüllen eines Löwen.

Gott, hatte sich das gut angefühlt. Ich verkaufe es unter Wert. Es war verdammt unglaublich. Um mich herum drehte sich alles und ich war mir sicher, dass es nicht der Alkohol war. Ich wusste das, weil ich zu kichern anfing. Nach einem großartigen Orgasmus kicherte ich immer. Ich konnte nichts dagegen tun. Ich fühlte mich einfach so glücklich. Aber das ließ mich nicht vergessen, dass ich mit dem Schwanz eines mir Unbekannten in einer Gasse stand.

Was zum Teufel hatte ich getan? Es war nicht so, dass ich es bereute, denn wie gesagt war es verdammt fantastisch gewesen. Aber eine meiner Glanzstunden war es definitiv nicht. Ich hatte das gebraucht, aber jetzt nicht mehr. Ich musste von hier weg.

Mit dem Gefühl seines immer noch wunderbar harten Schwanzes in mir richtete ich mich auf und ließ ihn langsam aus mir gleiten. Er stellte sich zusammen mit mir auf und verhinderte, dass er schnell aus mir glitt. Vielleicht wollte er nicht, dass der Augenblick endete. Welchen Grund auch immer es hatte, es verzögerte das enorme Schnappen, sobald er draußen war. Man konnte beinahe hören, wie meine Möse sagte: „Und bleib gefälligst draußen.“ Ich wusste nicht, warum sie so undankbar war. Wir wussten beide, dass wir uns danach gesehnt hatten. Obwohl seine Größe wohl nichts gewesen war, was wir erwartet hatten.

Seine Handflächen stützten sich noch immer zu meinen beiden Seiten an der Wand ab, als ich nach unten griff und meine Hosen hochzog. Ich drehte mich um, während ich meine Hose zuknöpfte und sah ihn erneut an. Ich hatte nicht falsch gelegen. Er war auf jeden Fall einer der bestaussehenden Männer, die ich jemals zu Gesicht bekommen hatte. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass jemand wie er mit jemandem wie mir zusammen sein wollte.

Der Gedanke daran veranlasste mich, mich vorzubeugen und seine Lippen zu küssen. Dabei griff ich nach seinem Schwanz und hielt ihn noch einmal fest. Er war immer noch ziemlich hart. Alles an ihm war wirklich erstaunlich und perfekt. Ich würde ihn keinesfalls vergessen, aber ich würde auf jeden Fall von hier verschwinden.

Ich duckte mich unter seinem Arm hindurch, ging von ihm weg und stellte fest, dass er nach Mandeln gerochen hatte. War es eine Seife oder sein Körpergeruch? Ich wusste es nicht, aber es war wunderbar. So würde ich mich an ihn erinnern. Er würde derjenige sein, der nach Mandeln gerochen hatte.

Ich musste allerdings gehen. Und ich musste ihm zu Ehren halten, dass er mich nicht aufhielt. Er sah mir nur beim Gehen zu. Er zog nicht einmal seine Hose hoch.

Ich verließ die Gasse, sah mich nach dem erstbesten Taxi um und hielt es an. Als ich einstieg, schaute ich zurück. Er war immer noch nicht aufgetaucht. Was machte er dort? Vielleicht wohnte er tatsächlich irgendwo da. Wer weiß? Aber ich war mir sicher, dass ich eine Menge Geschichten über ihn erfinden würde, wenn ich mich in Zukunft beim Gedanken an ihn rieb.

„Wohin?“, fragte der Taxifahrer.

Ich gab ihm meine Adresse und lehnte mich zurück. Ich wohnte nicht in der Nähe, also nahm ich normalerweise die Bahn. Aber heute Nacht war eine großartige Nacht gewesen und warum sollte ich mir nicht noch etwas anderes gönnen, bevor sie vorbei war? Außerdem war ich immer noch ziemlich betrunken und wer wollte schon herausfinden, wo ich war und wie ich zur nächsten Haltestelle kam. Das wäre eine echte Spaßbremse.

Als ich nach Hause kam, stieg ich aus und bezahlte die Fahrt mit meiner Karte. Ich habe mich nicht einmal darum gekümmert zu fragen, wie viel es war. Das war das Problem der Dani von morgen. Ich war die Dani dieser Nacht und ich würde es noch eine Weile bleiben.

Ich stieg die drei Treppen zu meiner Zweizimmerwohnung hinauf und fiel noch immer angezogen ins Bett. Ich hasste es, in meinen Sachen zu schlafen, aber ich konnte mich nicht bewegen. Ich hatte nur die Energie, meine Möse zu packen und mich daran zu erinnern, was passiert war. Die Wärme meiner Hand beruhigte mich. Der Fremde war so unglaublich groß gewesen. Er war kein Typ, den ich bald vergessen würde.

 

Die Euphorie der Nacht zuvor hatte sich vollständig gelegt, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Mein erster Gedanke war, dass ich eine Grippe hatte. Mein Körper fühlte sich schlecht an und mein Kopf tat weh. Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, dass ich einen Kater hatte. Es dauerte noch länger, mich daran zu erinnern, was ich mit wem gemacht hatte.

Ich fühlte mich nicht gut. Es gab nichts an dem, was passiert war, was mich gut fühlen ließ. Ich bereute jede Sekunde. Und ich schwor dem Gott da oben, dass ich nie wieder trinken würde, wenn ich dies hier nur heil überstehen würde.

Als ich auf die Uhr schaute, wurde mir klar, dass ich keine Zeit hatte, darüber nachzudenken. Ich musste zur Arbeit. Das erinnerte mich daran, wer die Schuld an meinem Kater trug. Es war Jax. Dieser Bastard sagte mir, er würde mich da treffen und hatte mich dann versetzt. Was für ein Mist war das?

Wenn er gekommen wäre, wie er gesagt hatte, hätte ich wahrscheinlich nicht so viel getrunken. Und ich hätte mich bestimmt nicht mit einem Fremden getroffen.

Oh, Moment, der Fremde. Ich erinnerte mich jetzt an ihn. Aber tat ich das wirklich? Die Person, an die ich mich erinnerte, war dieser Adonis mit olivfarbenem Teint, der nach Mandeln roch. Das konnte nicht stimmen, oder? Menschen wurden nicht so schön gemacht. Ich frage mich, wie er eigentlich ausgesehen hatte.

Als ich aus dem Bett stieg, erinnerte ich mich an seinen Schwanz. Ich erinnerte mich daran, weil ich es immer noch spürte. Er hatte einen Eindruck in meinem vagen Gedächtnis hinterlassen. Ich war wund. Hatte er seinen Schwanz benutzt oder seine Faust? Gott! Was hatte ich mir nur gedacht, diesen Wahnsinn zu veranstalten?

Ich erinnerte mich, dass es sich damals verdammt fantastisch angefühlt hatte. Vielleicht habe ich von der Nacht zuvor nicht alles bereut. Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass Jax ein Arschloch erster Güte war, mich so sitzen zu lassen. Was für ein Arschgesicht. Ich weiß nicht einmal, was ich jemals an ihm gefunden habe.

Immer noch mürrisch von meinem unglaublichen Kater, riss ich mich zusammen, duschte, zog mich um und machte mich dann auf den Weg zur Arbeit. Die Sonnenbrille, die ich trug, half, als ich zur Bahn ging, aber nicht genug.

„Oh nein, habe ich ein Taxi aus der Stadt hierher bezahlt?“, sagte ich, als die Erinnerung mich einholte. „Verdammt!“

Entgegen dem allgemeinen Glauben verdienen Journalisten bei der Zeitung nicht so viel. Diese Ausgabe würde für Monate auf meiner Kreditkarte sein. Es waren Zeiten wie diese, die mich darüber fantasieren ließen, nach Irgendwo im Nirgendwo, Idaho zu ziehen und eine Farm zu gründen. Ich könnte Bäuerin werden, nicht wahr? Mit dem, was ich in New York an Miete zahlte, könnte ich mir in Idaho ein Haus kaufen. Ich würde da ganz groß dastehen. Verdammt, für 3000 Dollar im Monat könnte ich mir wahrscheinlich sogar eine Villa leisten.

Ich schleppte mich mit der Absicht ins Büro, meinen Kopf auf meinen Tisch zu legen und ihn so lange da liegen zu lassen, bis ich mich wieder halbwegs wie ein Mensch fühlte. Das war mein Plan, bis Susan, die Praktikantin der Nachrichtenabteilung, mich unterbrach. Scheiß Susan!

„Was?“, fragte ich schlecht gelaunt.

Das arme Ding zitterte wie Espenlaub. Ich wusste, dass ich sie einschüchterte, aber was sollte ich dagegen tun. Journalist zu sein war hart. Sie musste sich entweder dagegen stählen oder sich eine neue Arbeit suchen.

„Ed hat mir gesagt, dass du in sein Büro kommen sollst, sobald du da bist.“

Oh verdammt, Ed! Stimmt ja. Ich hatte ihm von meiner Story erzählen wollen. Genau, die Story. Das war der Pulitzerpreis, der da auf mich wartete.

Das hatte ich vollkommen vergessen. Ich hatte all das vergessen. Mich daran zu erinnern gab mir einen Grund, weiterzumachen. Ed würde meine Story lieben. Natürlich war ich manchmal eine kleine Enttäuschung … so wie letzte Nacht, aber mit diesem hier würde ich ihn stolz machen.

Ich fand Energie, die ich eigentlich gar nicht hatte, und ließ die zitternde 20-Jährige mit einem Lächeln im Gesicht zurück. Ich konnte es gar nicht erwarten, das Lächeln auf seinem Gesicht zu sehen, wenn ich ihm erzählen würde, was ich herausgefunden hatte. Er würde mir sagen, dass ich die beste Journalistin aller Zeiten bin und dass niemand in der Nachrichtenredaktion auch nur zur Hälfte der Journalist war, der ich war. Ich machte mir nicht sonderlich viel aus der Meinung anderer, aber ich lebte und starb durch die Dinge, die er mir sagte. Manchmal tat das, was er sagte, weh, aber ich wusste, dass er heute hocherfreut sein würde.

„Ed, ich habe eine Story für dich!“, sagte ich und platzte in sein Büro herein.

Der Anblick, der mich bei meinem Eintreten antraf, überraschte mich vollkommen. Der starke, energische grauhaarige Mann, der für gewöhnlich die Nachrichtenredaktion mit einer eisernen Faust am Laufen hielt, saß mit seinem Rücken zur Tür da. Sein gekrümmter Rücken ließ ihn älter und gebrechlicher aussehen. Ich wusste, dass Ed in seinen 70ern war, aber noch nie zuvor hatte er auch diesen Eindruck vermittelt. Was war nur los? Als er sich umdrehte und ich Tränen in den traurigen Augen meines Mentors sah, erstarrte ich wie vom Blitz getroffen.

„Mach bitte die Tür zu“, sagte er langsamer, als ich ihn je hatte sprechen hören.

Ich schloss die Tür und konnte kein Wort sagen.

„Setz dich“, sagte er zu mir und zeigte auf den Stuhl gegenüber seinem Schreibtisch.

Ich wollte nichts sagen. Ich hatte Angst davor. Aber ich musste es wissen.

„Ed, was ist los?“

Als Eds Blick meinen traf, war das das Traurigste, was ich je gesehen hatte. Einfach nur ihn anzuschauen verleitete mich dazu, auch weinen zu wollen. Ich betrachtete ihn und konnte nicht atmen.

„Dani, du weißt, dass ich dich nie zuvor in Watte gepackt habe. Und ich werde es auch jetzt nicht tun. Ich habe heute Morgen etwas erfahren und es ist nichts Gutes.“

Oh nein.

„Dani, ich werde sterben.“

‚Oh verdammt!‘, dachte ich erstarrt.

„Wie?“, fragte ich, als Tränen meine Wangen hinunterliefen.

„Ich habe eine Weile schon Kopfschmerzen. Meine Frau hat mich schließlich überzeugt, zum Arzt zu gehen. Doch es war schon zu spät. Es ist ein Tumor.“

„Können sie ihn nicht entfernen oder so?“, fragte ich leise und wusste die Antwort bereits.

„Nein. Er ist zu groß, zu weit fortgeschritten, an der falschen Stelle. Such dir was aus“, sagte er schmerzerfüllt.

„Ed … es tut mir so leid!“

„Ja“, sagte er und drehte sich weg. „Aber das ist nicht der Grund, weswegen ich dich habe rufen lassen. Ich habe dich holen lassen, weil jemand diesen Platz füllen muss, wenn ich gegangen bin.“

„Warum denkst du darüber nach? Das ist das Letzte, über das du dir Sorgen machen musst“, sagte ich ihm und konnte mich kaum zusammenreißen.

„Doch. Ich muss darüber nachdenken. Dani, ich habe jede Menge Fehler in meinem Leben gemacht. Einer davon war, dass ich viel zu viel Zeit hier verbracht habe. Ich habe mich mehr um diese Zeitung gekümmert als um meine Kinder.“

„Nein, Ed. Du weißt, dass das nicht wahr ist. Du liebst deine Kinder.“

„Dani, du weißt nicht, was ich liebe, also versuche nicht, mir zu sagen, was es ist. Ich sage dir, dass in den Zeiten, in denen ich in meinem Leben wählen musste, ob ich Zeit mit meiner Familie verbringe oder hier bin, ich diesen Ort hier gewählt habe. Ich sehe jetzt, was ich falsch gemacht habe, doch genau jetzt muss ich der Wahrheit ins Auge blicken.“

„Okay“, gab ich nach und wollte alles sagen, um ihm ein besseres Gefühl zu geben.

„Ich habe diesen Ort als meine Welt betrachtet. Noch mehr als meine eigenen Kinder habe ich diese Zeitung als meine Hinterlassenschaft betrachtet.“

„Es ist eine große Hinterlassenschaft, Ed.“

Ed sah mich skeptisch an.

„Ich freue mich, dass du so denkst, denn ich will, dass du meinen Platz übernimmst, wenn ich weg bin.“

„Du willst, dass ich dein Büro bekomme.“

„Nein, Dani, ich will nicht nur, dass du mein Büro bekommst. Sei nicht albern. Ich will, dass du die Chefredakteurin der Zeitung wirst. Und ich werde dich für den Job empfehlen.“

„Ich? Warum ich?“, fragte ich verblüfft. „Ich bin noch nicht bereit für etwas Derartiges.“

„Dani, du bist verdammt noch mal die beste Journalistin hier. Lass dir von niemandem verflucht noch mal etwas anderes sagen. Und außerdem solltest du es sein, weil ich dir alles beigebracht habe, was ich weiß. Du bist genauso meine Hinterlassenschaft wie es dieser Ort hier ist.

„Daher will ich, dass du meine Hinterlassenschaft überwachst und sie gut behandelst. Würdest du das für mich tun?“

Ich sah Ed an und wusste kaum, was ich sagen sollte. Mein Kopf fühlte sich an, als wäre er in einer Waschmaschine. Nichts fühlte sich real an. Ich betete, dass ich noch nicht aufgewacht sein möge, aber ich wusste, dass ich niemals etwas derart Grauenvolles zusammenträumen würde.

„Natürlich, Ed. Ich werde mit meinem Leben darauf achtgeben.“

Der alte Mann vor mir lächelte. Es war das erste Aufblitzen des Mannes, den ich kannte.

„Es gibt allerdings nur ein Problem“, führte er weiter aus. „Mit Hinblick auf meinen unausweichlichen Ruhestand hat der Besitzer der Zeitung auf jemand anderen gedrängt, der meinen Posten übernehmen soll.“

„Wen?“

„Der Besitzer der Firma will Jax Watt.“

Ich schaute Ed an und wusste nicht, ob ich richtig gehört hatte. „Jax Watt, den Sportjournalisten?“

„Ja. Kannst du das verdammt noch mal fassen?“

Ich lehnte mich zurück und dachte darüber nach. „Nein. Er ist erst seit einem Jahr bei der Zeitung. Und außerdem ist sein Ressort Sport.“

„Noch schlimmer als das. Das hier war sein erster Job als Reporter. Bevor ich es ihm gezeigt habe, hatte er noch nie eine Manuskript erstellt.“

Ich schüttelte meinen Kopf und hoffte, dass es mehr Sinn ergeben würde, wenn ich mein Gehirn ordentlich durchrüttelte.

„Ich verstehe nicht ganz. Warum würde der Eigentümer ihn wollen? Sieht er denn nicht, was für ein offensichtlicher Fehler das wäre?“

„Ich weiß es nicht. Meine Vermutung ist, dass dieser verwöhnte Hurensohn die Nachrichten nicht auf die Weise wertschätzt, wie sein Vater es getan hat. Lass mich dir eines sagen, Nadin Ray war ein Zeitungsmann. Er hat sich um die Nachrichten gekümmert. Er verstand die Rolle, die wir spielen, um Demokratien am Laufen zu halten.

Ich weiß nicht. Vielleicht hat dieser neue Kerl recht. Vielleicht bin ich nur das Fossil einer vergangenen Ära. Sport bringt das ganze Geld für diese Zeitung ein, vielleicht sollte dieser Ort von einem Sportler geführt werden. Vielleicht sollte ich einfach nur sterben und es hinter mich bringen.“

„Nein, Ed! Sag so etwas nicht. Du hast recht, das ist dein Erbe. Du hast hier etwas Fantastisches aufgebaut. Die Dinge, die du geopfert hast, waren nicht umsonst. Du hast dabei geholfen, die Welt zu formen. Und wenn die Zeit kommt, dass jemand diesen Posten übernimmt, und du willst, dass ich es bin, dann wird es so sein.“

Ed lächelte und schenkte meinem Herzen Wärme.

„Das ist, was ich hören wollte. Es wird heute Abend eine Veranstaltung geben. Der Eigentümer wird da sein. Ich will, dass du auch da bist. Du wirst meine Begleitung sein. Ich will, dass du ihm zeigst, warum du diejenige sein wirst, die diese Stelle übernimmt, wenn ich weg bin. Ich will, dass du mich stolz machst.“

Das war alles, was ich Ed sagen hörte, denn in dem Moment kamen seine Worte erst wirklich bei mir an. Ed hatte mir gerade erzählt, dass er sterben würde. Er sagte mir, dass ich für ihn bei der Zeitung übernehmen musste oder sein Leben sonst bedeutungslos wäre. Das war viel. Im Moment war das mehr, als ich verkraften konnte.

Das war wahrscheinlich der Moment, in dem ich sein Büro verließ und mich an meinen Schreibtisch setzte. Ich wusste nicht, wie lange ich dort war, denn als ich mich wieder umsah, saß ich in der Bahn und fuhr nach Hause. Ich wusste, dass es noch nicht Abend war, weil es immer noch hell war. Aber ich war trotzdem auf dem Weg nach Hause. Ich erinnerte mich an jemanden, der mir sagte, ich müsse mich konzentrieren.

War es Ed? Oder war es Jax? Warum sollte Jax mir so etwas sagen? Ich war mir nicht sicher. Also musste es Ed gewesen sein, oder?

Egal wer es war, ich wusste jetzt, warum ich nach Hause ging. Das Ereignis, von dem Ed sprach, fand heute Abend statt. Ich musste ihn stolz machen. Ich musste den Firmeninhaber beeindrucken, damit er mir erlaubte, Eds Posten zu übernehmen.

Wie sollte ich das machen? Ich wusste es nicht, aber ich wusste zumindest, dass es mit der Planung begann, was ich anziehen würde. Ich musste mich anziehen, um zu beeindrucken, was auch immer das bedeutete. Und es war noch nie so wichtig wie jetzt, dass ich es herausfand.

Als ich in der Bahn saß, erinnerte ich mich daran, dass es sich bei der Veranstaltung um etwas mit Kleiderordnung in einem Museum handelte. Wann hatte Ed mir das gesagt? Ich erinnerte mich nicht. Aber das bedeutete, dass das Anziehen, um zu beeindrucken, damit zu tun hatte, ein Cocktailkleid zu finden. Wo sollte ich ein Cocktailkleid finden?

Als sich meine Haltestelle näherte, griff ich nach meiner Tasche und stieg aus. Immer noch benommen ging ich zu meinem Wohnhaus und stapfte die drei Etagen zu meiner Wohnung hinauf. Oben außer Atem angekommen wurde mir klar, dass ich immer noch ein wenig verkatert war. Ich hatte die ungünstigste Nacht gewählt, um zu viel zu trinken. Und mit dem zusätzlichen Druck von Eds Neuigkeiten und Wünschen fühlte sich mein Kopf an, als würde er explodieren.

Als ich meine Wohnung betrat, schaute ich auf die Uhr. Ich hatte drei Stunden Zeit, um zu duschen, mich zu rasieren, meine Haare zu machen, mich zu schminken und jedes Outfit anzuprobieren, das ich besaß, und dann mit dem ersten zu gehen, das ich anprobiert hatte. Das war mein Ritual, wenn ich irgendwohin ging. Aber ich war mir nicht sicher, ob es diesmal funktionieren würde. Ich kannte meinen Schrank. Ich hatte nichts, was als Cocktailkleid durchgehen könnte.

Ich war nicht gerade ein Mädchen mit Abendkleid in der Garderobe. Ich war der Typ, der sich in einer Kneipe mit Whisky betrank und sich dann mit einem Fremden in einer Gasse traf. Ja, letzte Nacht habe ich getan, was ich am besten konnte.

Ich ging alle Schritte durch und kam zu dem Punkt, an dem ich mein erstes Outfit anziehen musste. Ich wusste, dass dies entscheidend war. Was auch immer ich wählte, ich würde wahrscheinlich 15 Minuten, bevor ich gehen musste, darauf zurückgreifen. Das Problem war jedoch, dass ich für eine Gala in einem Museum wirklich nichts Passendes hatte.

Heute Nacht würde eine Katastrophe werden. Der Mann, der für mich mehr ein Vater als mein eigener Vater war, zählte darauf, dass ich seinem Leben Sinn gab, und ich würde es vermasseln, weil ich nichts zum Anziehen hatte.

Als sich der Druck unaufhaltsam aufbaute, öffneten sich die Schleusentore und ich fing an zu weinen. Ed lag im Sterben. Der Mann, der mir alles bedeutete, starb. Ich konnte damit nicht umgehen. Ich konnte mit nichts umgehen.

Irgendwie sollte ich mich anziehen, lächeln und beeindrucken, aber ich konnte nicht einmal ein Kleid auswählen. Zur Hölle, ich konnte nicht aufhören zu weinen. Meine Welt zerquetschte mich. Das war zu viel. Alles war zu viel!

Ich wäre wahrscheinlich in eine Betäubung verfallen, aus der ich nicht so schnell herauskommen würde, wenn in diesem Moment meine Türklingel nicht geläutet hätte. Ich hätte beinahe nicht darauf reagiert. Die einzigen Leute, die jemals bei mir klingelten, waren Zusteller und Leute, die jemand anderen suchten.

Ich wusste nicht, welchen von ihnen ich erwartete, aber etwas sagte mir, ich solle aufstehen und es herausfinden. Also zog ich meinen schluchzenden Arsch aus dem Bett und schaffte es zur Gegensprechanlage.

„Ja?“, sagte ich durch Schnauben und Schnupfen.

„Lieferung für Dani Spelling“, sagte die nicht bedrohliche Stimme.

Ich versuchte mich zu erinnern, was ich bei Amazon bestellt hatte. Mir fiel nichts ein. Trotzdem traute ich mir zu, etwas zu bestellen, wenn ich betrunken war. Also ließ ich den Zusteller herein und tat mein Bestes, um mich zusammenzureißen.

Es dauerte ein paar Minuten, bis es an meiner Tür klopfte, und ich öffnete sie. Es war der Zusteller. Ich erkannte die Uniform, die er trug, nicht und er hatte ein Paket in der Hand. Ich konnte mir nicht vorstellen, was in eine so seltsam geformte Schachtel passen könnte.

„Bitte hier unterschreiben.“

Ich unterschrieb, wo immer er es mir sagte, und er gab mir, was er bei sich hatte. Anscheinend waren es zwei Kisten, aber nichts klingelte. Ich schloss die Tür hinter mir und stellte die Kisten auf den Tresen zwischen meiner Küchenzeile und dem Wohnzimmer.

Ich beschloss, zuerst die lange Schachtel zu öffnen. Es war eine große Kiste und wahrscheinlich von einem wirklich teuren Ort. Ich würde mir auf keinen Fall leisten können, was auch immer das war. Und nachdem ich gestern Abend für das Taxi nach Hause bezahlt hatte, konnte ich es mir definitiv nicht leisten, diese Woche zu essen.

Ich legte den Deckel beiseite und kramte durch das elegant gefaltete Papier. Ich sah etwas, mit dem ich nie gerechnet hätte. In der Schachtel vor mir befand sich ein schwarzes Cocktailkleid. Wann hatte ich das bestellt? Ich war mir sicher, dass ich es nicht getan hatte. Das einzige Mal hätte sein können, bevor ich in der Nacht zuvor betrunken eingeschlafen war. Und letzte Nacht hatte ich ja gar nicht wissen können, dass ich ein Cocktailkleid brauchen würde … geschweige denn passende Schuhe mit hohen Absätzen, was ich in der zweiten Schachtel vorfand.

Ich hielt das Kleid hoch. Es war wunderschön. Es sah sogar nach meiner Größe aus. Wie? Es musste Ed sein, richtig? Er war der Einzige, der wusste, dass ich heute Abend zu dieser Veranstaltung gehen würde. Nur hätte ich nie gedacht, dass Ed einen so großen Sinn für Mode hatte.

Ed war eine Menge wundervoller Dinge, aber eine Fashionista war er nicht. Der Mann trug wahrscheinlich das gleiche Hemd und die gleiche Hose, um zwei Jahre lang ohne Unterbrechung zu arbeiten. Er war in die siebzig Jahre und hatte die Nummer für jeden New Yorker Powerplayer auf seinem Handy. Wen kümmerte es, wie er sich anzog?

Wie konnte er so etwas für mich heraussuchen? Wie konnte er sich bei allem, was gerade in seinem Leben vor sich ging, überhaupt Gedanken darum machen, was ich heute Abend anziehen würde? Es berührte mich mehr als ich ausdrücken konnte, dass er sich so um mich kümmern würde.

Ich fing wieder an zu weinen, als ich das Kleid im Spiegel vor mich hielt. Aber jetzt wusste ich, dass ich ihn wirklich nicht im Stich lassen konnte. Ich musste meinen Arsch hochbekommen und die beste Version meiner selbst sein, die ich sein konnte. Ed zählte auf mich und ich war bereit, alles zu tun, was ich tun musste, um ihn nicht im Stich zu lassen.

Als ich das Kleid anzog, fühlte ich mich glamouröser als je zuvor in meinem Leben. Ich konnte die Frau kaum erkennen, die mich im Spiegel ansah. Sie war ziemlich heiß. Wo war sie mein ganzes Leben lang gewesen? Und als ich die High Heels anzog, um das Outfit zu vervollständigen, musste ich zugeben, dass ich mich wie eine Prinzessin fühlte.

Ich weiß, dass Kleidung keine Rolle spielte und das Einzige, was zählte, die Geschichte war, die man seinem Redakteur anbieten konnte, aber als ich mein Spiegelbild betrachtete, war ich von einem Selbstvertrauen erfüllt, das ich noch nie zuvor gefühlt hatte. Ich war bereit für mein Treffen mit der reichen Arschgeige, die versuchte, Eds Vermächtnis zu ruinieren. Ich hoffte, er war vorbereitet, weil er definitiv nicht wusste, was auf ihn zukommen würde.

Ich zog die Stöckelschuhe aus und zog mir ein bequemes Paar Turnschuhe an, stopfte die High Heels in einen Rucksack und machte mich auf den Weg. Ich riskierte nicht, mich in der Bahn hinzusetzen und Kaugummi an meinem Arsch kleben zu haben. Heute Nacht konnte nichts schief gehen. Der heutige Abend war zu wichtig. Vor allem musste ich mich bestens benehmen. Kein Whisky, kein unangemessenes Flirten und keine schlechten Entscheidungen. Mit anderen Worten, dies war nicht die Nacht, um ich selbst zu sein.

Ich stieg in der 86. Straße aus der Bahn und ging drei Blocks bis zur 5th Avenue und vier Blocks bis zum Eingang des Museums. Als ich dort ankam, war ich überwältigt von dem, was ich sah. Ich schrieb nicht für die Unterhaltungs- und Freizeitabteilung, also war ich nicht an Glamour gewöhnt. Aber das gab es hier eindeutig im Überfluss.

Vor der Galerie standen Limousinen noch Blöcke weit, und am Eingang befand sich ein langer roter Teppich, der die Treppe bedeckte. Darüber hinaus war es schwer, mehr zu sehen, da die Kamerablitze zu hell waren. Was auch immer vor sich ging, war eine große Sache und irgendwie musste ich so tun, als gehörte ich dazu.

Mein Griff um meinen Rucksack wurde fester, als ich darüber nachdachte, und mein Herz raste, als ich mich umsah. Als ich mich dem Eingang näherte, erregte jemand in einem Smoking meine Aufmerksamkeit.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte der kräftige, elegant gekleidete Türsteher.

„Ja, ich soll mich hier mit jemanden treffen. Wissen Sie, wohin ich gehen muss?“

Der Mann sah mich an, als glaubte er mir nicht. Ich spürte, wie mein Mut aufflammte und ich ihn gleich in der Luft zerreißen würde, als ich mich daran erinnerte, dass ich immer noch meine Turnschuhe und einen Rucksack trug.

„Ich gehöre zur Presse“, erzählte ich ihm in der Annahme, dass ich es tat.

Das Misstrauen des Mannes verschwand und er verwies mich auf einen Seiteneingang, ehe er das Interesse an mir verlor und wegsah.

„Danke“, sagte ich, ehe ich dahin ging.

Obwohl es noch immer außerhalb meiner Liga lag, war das, was ich hinter dem Promieingang sah, bedeutend passender für mich. Natürlich hatten sich alle schick gemacht, aber hier fühlte ich mich wie bei jeder anderen Veranstaltung mit einem Registriertisch.

„Name bitte?“

„Dani Spelling“, sagte ich der älteren Dame, deren Busen beinahe aus dem Kleid fiel.

„Kann ich nicht finden“, informierte sie mich.

„Ich bin die Begleitung von Ed Granger“, sagte ich und fragte mich, ob ich überhaupt auf der Liste war.

Als ich mir einige alternative Pläne zurechtlegte, meinte die Frau:

„Ah ja. Ed Granger. Gehen Sie da entlang.“

„Danke.“

„Ähm …“, sagte sie, als ich mich gerade auf den Weg machen wollte.

„Was?“, fragte ich sie und mochte ihren hochnäsigen Ton nicht.

Ihren Augen wanderten meinen Körper hinab zum Boden.

„Oh, richtig. Meine Schuhe“, sagte ich, denn ich hatte es wieder vergessen. „Die habe ich direkt hier“, sagte ich und zeigte ihr meinen Rucksack. „Wo kann ich das übrigens abgeben?“

„Sie können das an der Garderobe abgeben“, sagte sie mir, als sei das offensichtlich.

Nun, ich mochte sie definitiv nicht. Ich versuchte, mir trotz allem nicht die Laune verderben zu lassen, denn heute Nacht ging es nicht um sie. Ich war hier, um Eds Leben Bedeutung zu geben. Gott, allein der Gedanke daran ließ mich beinahe unter dem Gewicht all dessen zusammenbrechen.

Ich ging zu den nahegelegenen Treppen, setzte mich und wechselte meine Schuhe. Während ich das tat, warf ich einen Blick auf den Raum. Es gab viele Leute, die umherliefen, aber das eigentliche Geschehen war nicht hier. Wenn Ed da war, dann musste er in dem Hauptsaal sein. Das musste dann wohl die Räumlichkeit sein, aus der die meisten Leute kamen und in die sie gingen. Und die Garderobe musste wohl die Schlange sein, an der zwanzig Leute anstanden.

„Scheiß drauf“, murmelte ich, ehe ich mir meinen Rucksack über die Schulter warf und hineinging.

Drinnen sah es beeindruckend aus. Mir lag nicht wirklich etwas an diesen selbstdarstellerischen Veranstaltungen, aber diese hier fand in einem Weltklassemuseum statt. Das zog selbst an mir nicht vorbei. Die Wände waren mit schimmernden weißen Vorhängen mit verzierten Goldrändern behangen, die mit den bekanntesten Kunstwerken der Welt verbunden waren. Der Ort war atemberaubend. Das alles war weit außerhalb meiner Liga. Aber ich musste mich daran erinnern, dass diese Nacht für Ed war. Das hieß, dass ich alles andere ausblenden und meinen Job machen musste.

„Hey Dani, du siehst wunderschön aus“, sagte eine bekannte Stimme hinter mir.

Ich drehte mich um und erkannte jemanden, den ich niemals hier erwartet hätte.

„Jax, was tust du hier?“, fragte ich einen Moment lang desorientiert.

„Was meinst du mit ‚was ich hier tue‘?“

Stotterte ich? Ich glaube nicht Also warf ich ihm einen Blick zu und weigerte mich, mich zu wiederholen. Er schenkte mir einen weiteren verwirrten Blick und ich war draußen.

Ja, er war der Typ, der mich den Abend zuvor versetzt hatte, und jetzt war er der Typ, der den Job bekommen sollte, den ich haben sollte. Ich hatte keine Zeit für diesen Unsinn, ganz egal, wie gut er in dem Anzug aussah. Herrgott noch mal! Der Mann war Sex auf zwei Beinen.

„Hast du Ed gesehen?“, fragte ich und löste meine Aufmerksamkeit von ihm.

„Ja, er ist da drüben“, sagte Jax und zeigte quer durch den Raum.

Ich schaute durch die Menge der schönen Leute und sah den einen Mann, der nicht danach aussah, als versuche er, hier hereinzupassen. Ja, das war Ed. Ich wollte gerade zu ihm hinübergehen, als Jax mich aufhielt.

„Du hast deinen Rucksack dabei?“

Ich schaute zu Jax und hatte schon wieder vergessen, dass ich ihn dabeihatte.

„Stimmt“, sagte ich, ehe ich ihn abnahm und ihm gab. „Kannst du dich darum kümmern? Ich glaube, da war eine Garderobe oder so in der Lobby.“

Jax sah mich entnervt an. Ich gab nicht nach. So wie ich es sah, schuldete er mir etwas. Er hatte mich versetzt und ich war deswegen mit irgendeinem Typen in einer Gasse gelandet. Er konnte schon zwanzig Minuten in einer Schlange stehen, um das wiedergutzumachen.

„Ja, klar“, sagte er verärgert.

‚Ja, komm damit klar, Jax. Du wirst es überleben‘, wollte ich ihm sagen. Tat ich aber nicht. Denn heute Nacht ging es nicht um mich. Es ging um Ed. Ich würde alles tun, was ich musste, um ihn stolz zu machen.

Ich durchquerte den Raum und näherte mich dem grauhaarigen Mann vor mir.

„Ed?“, fragte ich und er drehte sich zu mir um.

„Dani, du bist da“, sagte er beiläufig.

Ich schaute in seine müden Augen und es erinnerte mich daran, welches Geheimnis er vor der Welt verbarg. Es bereitete mir Kopfschmerzen. Ich musste mich zusammenreißen. Ich musste ihn stolz machen.

„Ich hab’s geschafft“, bestätigte ich mit einem Lächeln. „Teils dank dieses wunderschönen Kleides.“

Ich breitete meine Arme aus, damit er einen Blick auf sein großzügiges Geschenk werfen konnte.

Er sah mich verwirrt an und betrachtete mich dann.

„Ja“, erwiderte er matt. „Es ist sehr hübsch. Da ist jemand, den ich dir vorstellen möchte.“

So gut ich mich auch zusammengerissen hatte, bekam ich das Gefühl, dass mir alles entglitt. Es war so weit. Von diesem Augenblick an musste alles gut laufen. Ich konnte das nicht vermasseln oder etwas Dummes tun. Zu viel hing davon ab.

„Dani, ich will dich Heet Ray vorstellen, dem Eigentümer der Zeitung“, sagte Ed.

Der Mann vor ihm drehte sich um und mir wich die Farbe aus dem Gesicht.

„Genau genommen wird es wie ‚Hit‘ Ray ausgesprochen“, korrigierte ihn der Mann.

„Oh, Verzeihung“, sagte Ed verlegen.

„Schon in Ordnung“, erwiderte der Mann gnädig.

„Das muss ich mir merken. Ich vergesse es immer wieder. Also noch mal, Dani, das ist Heet Ray. Ihm gehört die Zeitung.“

„Schön, Sie kennenzulernen“, sagte der Mann und wandte sich mir zu, bot seine Hand an.

Ich wusste, dass das für mich das Zeichen war, etwas zu tun. Aber ich konnte nicht. Ich konnte nicht einmal atmen. Ich schaute ihn an und er musste wohl der hinreißendste Mann sein, den ich je gesehen hatte.

Ja, ich weiß, dass ich das schon mal gesagt habe. Das liegt daran, dass der Mann, der da vor mir stand, derselbe Mann von der Bar war. Heet Ray war der Fremde mit dem britischen Akzent, den ich in einer Gasse gevögelt habe. Und nun war er derjenige, der die Schlüssel zu Eds Hinterlassenschaft und meiner Zukunft in der Hand hielt.

Was sollte ich nur tun?

 

 

Kapitel 2

Dani

 

„Dani?“, sagte Ed und animierte mich zum Sprechen.

„Ja. Es ist schön, Sie kennenzulernen“, sagte ich und entkam meiner Starre.

„Dani hier ist die beste Journalistin, die ich habe. Und um es ganz direkt zu sagen, sie würde eine verdammt gute Redakteurin für Ihre Zeitung abgeben“, fuhr Ed fort.

„Würde sie das?“, fragte Heet mit einem Lächeln.

„Absolut“, bestätigte Ed.

„Sie sind also Journalistin?“, fragte Heet und tat so, als würde er mich nicht erkennen.

„Ja, das bin ich. Und eine wirklich gute“, sagte ich selbstbewusst.

„Heißt das, dass du alles über mich wusstest, als ich diesen Raum betreten habe?“

Ich hielt kurz inne, wusste nicht, von welchem Raum er sprach. Redete er von hier oder der Bar letzte Nacht?

„Ich bin eine Journalistin, kein Medium“, sagte ich und wollte nicht mehr preisgeben, als ich musste.

Heet lachte leise. „Auch wahr.“

„Nun, ich werde euch beiden Zeit zum Reden geben“, meinte Ed. „Und Heet, ich verspreche Ihnen, wenn Sie sich für sie entscheiden, werden Sie es nicht bereuen“, sagte Ed mit einem Lächeln.

„Wir werden sehen“, erwiderte Heet und erinnerte mich dabei an einen sonnengebräunten James Bond.

Sowohl Heet und ich sahen Ed weggehen. Als er fort war, betrachtete ich Heet eingehend.

„Okay, machen wir reinen Tisch. Du hast mich erkannt“, sagte ich, nicht sicher, ob dem wirklich so war.

Er lächelte, als ihm klar wurde, dass er ertappt worden war. „Also werden wir nicht um den heißen Brei herumreden?“

„Nach letzter Nacht würde ich denken, dass dir klargeworden ist, dass ich direkt auf den Punkt komme.“

„Was, wie ich annehme, der Grund ist, aus dem Ed denkt, dass du eine gute Chefredakteurin bist.“

„Das ist einer der Gründe. Der andere Grund ist, dass ich großartig bin in dem, was ich mache.“

„Und das wäre was genau?“

„Das Drumherum weglassen und zu dem kommen, was die Leute wissen wollen.“

„Verstehe. Und du denkst, dass die Leute das Drumherum nicht mögen?“

„Bei Nachrichten geht es darum, von den Fakten zu berichten. Du besitzt eine Zeitung, kein Magazin. Ich denke, dass es wichtig wäre, wenn dein Chefredakteur den Unterschied kennt. Deshalb würde man niemandem aus dem Sportressort für diesen Job haben wollen.“

„Wow! Du bist wirklich direkt.“

„Das versuche ich zu sein“, sagte ich selbstsicher.

„Dann lass mich auch offen zu dir sein. Ich werde dir die Stelle nicht geben.“

„Was?“, fragte ich perplex.

„Du warst offen zu mir. Ich möchte auch offen zu dir sein. Ich habe schon jemand anderen dafür im Blick und es besteht nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass ich meine Meinung ändere.“

Heets Worte trafen mich wie ein Faustschlag in die Magengrube. Mir blieb der Atem weg. Ich fühlte mich, als fiele ich in die Tiefe. Das konnte nicht sein.

„Es gibt allerdings eine Möglichkeit, dass wir so eine Art Vereinbarung treffen können.“

„Eine Vereinbarung? Was für eine Art von Vereinbarung?“

„Eine, bei der wir beide das bekommen, was wir wollen. Dani, nenne mir etwas, das du willst“, sagte Heet selbstgefällig.

„Ich will nur eines. Mach mich zur Chefredakteurin deiner Zeitung. Ich bin qualifiziert dafür und gut.“

„Qualifiziert? Vielleicht. Aber die Stelle in meiner Zeitung ist schon besetzt. Ich habe allerdings eine ganze Menge Kontakte. Wenn ich ein gutes Wort einlege, könnte ich dich womöglich zur Chefredakteurin einer anderen Zeitung machen. In deinem Alter wäre das eine verdammt gute Leistung.“

„Als allererstes einmal hat mein Alter überhaupt nichts damit zu tun. Ich bin dafür bereit. Und zweitens interessiere ich mich nicht für einen anderen Job. Ich will die Chefredakteurin deiner Zeitung sein. Sonst nichts.“

„Es muss etwas geben, das du vielleicht willst“, sagte er und sein Lächeln ließ langsam nach.

„Nein.“

„Wenn du Geld willst, dann könnte ich das wohl arrangieren.“

„Ich will kein Geld“, sagte ich ihm.

„Wenn du einfach nur in einem meiner Unternehmen arbeiten willst – ich habe jede Menge Zeitungen in der ganzen Welt. Du kannst dir eine aussuchen.“

„Ich bin nur an einer Sache interessiert.“

Nachdem ich das gesagt hatte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Es gab hier eine Story, die ich verpasst hatte.

„Einen Moment. Du hast eine Vereinbarung erwähnt. Was soll ich denn machen? Willst du, dass ich etwas über jemanden herausfinde oder so?“

„Nein! Warum würde ich das wollen?“, fragte er und mochte diesen Vorschlag überhaupt nicht. Das war eine Reaktion, an die ich mich besser erinnern sollte.

„Warum wollen Menschen bestimmte Dinge?“, fragte ich.

„Nein. Was ich will, ist etwas viel Langweiligeres.“

„Was da wäre …“, gab ich ihm die Vorlage.

„Ich hatte gehofft, dass du mich auf mein Jahrgangstreffen begleiten würdest“, sagte er mit einem Lächeln.

Ich betrachtete ihn eingehend und versuchte herauszufinden, ob er das ernst meinte. Er meinte es ernst.

„Genau, das ist ja auch überhaupt nicht gruselig“, erwiderte ich und fühlte mich davon ziemlich überrumpelt.

Heet lachte. „Warum wäre ein Typ, der Zeit mit dir verbringen will, gruselig?“

Ich überlegte. Warum dachte ich das? Ich war nie gut mit Beziehungen und ich habe nicht gerade eine Menge Erfahrungen mit ihnen. Ich wusste es also nicht. War das heutzutage die Art, wie Leute andere Leute nach einem Date fragten? Vögelte man jemanden in einer Gasse und lud denjenigen dann zu seinem Jahrgangstreffen ein?

„Warum ich?“

„Was meinst du?“, fragte er.

„Ich meine, sieh mich an. Ich schätze mal, du musst niemanden großartig dafür bestechen, damit er mit dir auf ein Date geht.“

„Erstens habe ich dich nicht bestochen. Lass uns das gleich klarstellen. Zweitens wäre es nicht nur für eine Nacht. Es ist ein Ausflug über eine Woche. Und es wäre in Stanford, Kalifornien. Es ist also vielmehr eine Investition.“

Das verwirrte mich. Und das, so muss ich zugeben, zog meine Aufmerksamkeit auf sich.

„Warum ich?“

„Du bist lustig. Intelligent. Schön. Wenn ich mit jemandem gehen muss, warum dann nicht mit dir?“

„Schon klar, das kauf ich dir nicht ab“, sagte ich ihm und hatte das Gefühl, dass etwas daran faul war.

„Du glaubst mir nicht, dass ich dich schön finde? Warum denkst du, habe ich mit dir geschlafen?“

Heet sah sich um und lehnte sich dann zu mir.

„Wir haben es in einer Seitengasse getan. Denkst du, dass das etwas ist, das ein Typ wie ich normalerweise tut?“

„Ich weiß nicht. Ist es das?“

Heet schaute mich beeindruckt an. „Wow, du bist echt knallhart.“

„Ich versuche, mich nicht von schönen Worten einlullen zu lassen. Ich weiß schließlich, wie einfach es ist, sie zu erfinden.“

„Auch wahr. Nun, das ist mein Vorschlag. Du bist meine Verabredung für mein Jahrgangstreffen und ich werde dir das mit etwas, das du brauchst, kompensieren.“

„Ich muss die Chefredakteurin der Zeitung werden.“

„Alles außer das. Du kannst wortwörtlich um alles außer das bitten. Ich bin mir sicher, dass dir etwas einfallen wird.“

„Tut mir leid, da ist nichts anderes“, sagte ich ihm, ehe ich kehrt machte und wegging.

Als ich weglief, erwartete ich, dass er mir nachgehen und meinen Forderungen nachgeben würde. Nun gut, ‚erwarten‘ ist ein starkes Wort. ‚Gehofft‘ war da wohl passender. Doch er tat nichts dergleichen. Da ihn zu überzeugen der einzige Grund war, aus dem ich anwesend war, gab es keinen Grund, weiter dortzubleiben.

Ich war froh, Ed auf dem Weg nach draußen nicht über den Weg zu laufen. Wie könnte ich ihm gegenübertreten, nachdem ich ihn so derart enttäuscht hatte? Ich könnte ihm niemals wieder gegenübertreten. Er würde sterben und er wollte, dass ich das für ihn übernehme. Wie konnte ich ihn nur enttäuschen? Ich wollte nicht darüber nachdenken. Ich wollte einfach nur von hier verschwinden.

Ich verließ den Hauptsaal und suchte die Lobby nach Jax ab. Der Mann hatte meinen Rucksack und meine Turnschuhe. Ich brauchte nicht lange, um ihn zu finden. Er war ganz vorn in der Schlange für die Garderobe. Der Angestellte gab ihm seine Kreditkarte zurück, als ich gerade rief: „Moment, stopp!“

Er hörte mich nicht, also rannte ich, so schnell ich das in fast acht Zentimeter hohen High Heels konnte, und kam bei ihm an, als er gerade aus der Schlange treten wollte.

„Ich brauche das zurück“, sagte ich ihm. „Wo ist das Ticket?“

„Du brauchst es zurück? Warum?“

„Wo ist das Ticket?“, bestand ich.

Er hielt mit einem frustrierten Gesichtsausdruck ein Stück Papier in die Höhe. Ich ignorierte sein Gegrummel und nahm es aus seiner Hand. Ich drängelte mich an die Spitze der Schlange und wandte mich an den Angestellten da.

„Entschuldigung, mein Freund hat versehentlich meine Tasche abgegeben. Gerade eben erst“, sagte ich und zeigte hinter mir auf Jax.

Er verärgerte Angestellte nahm mein Ticket und gab mir meine Tasche zurück. Ich dankte ihm und schaute mich nach einer Stelle um, an der ich meine Schuhe wechseln konnte.

„Was tust du da?“, fragte Jax und versuchte, meine Aufmerksamkeit zu bekommen.

Ich würde ihm antworten, aber ansonsten bekäme sein selbstgefälliger Arsch nichts von mir zu hören, für das er nicht gearbeitet hatte.

„Ich haue ab“, meinte ich und entschied mich für die zweite Stufe einer wenig frequentierten Treppe.

„Warum gehst du? Du bist doch gerade erst angekommen. Hast du nicht dieses Treffen, zu dem du musst?“

Woher wusste er von dem Treffen? Ich hatte ihm nicht davon erzählt, oder? Wann hätte ich das tun sollen?

„Hatte ich. Schon erledigt.“

„Und?“

„Und es war Zeitverschwendung.“

„Na ja, jetzt bist du ja hier. Du kannst doch genauso gut hierbleiben und noch etwas trinken.“

Das veranlasste mich dazu, zu Jax aufzusehen. Das musste wohl das meiste gewesen sein, das Jax seit Ewigkeiten auf einmal gesagt hatte. Was war mit ihm los?

Als ich ihn betrachtete, erkannte ich einen verletzlichen Ausdruck auf seinem Gesicht. Es reichte fast sogar, dass ich vergaß, dass er mich die Nacht zuvor versetzt hatte. Oder das ihm der Job gegeben werden würde, den ich verdiente und brauchte.