ALADIN UND DER MÄRCHENPRINZ IN DER HÖHLE DES DRACHEN

Es geschah einst, dass Aladin, der Held von Magrabah, Freund eines Flaschengeistes und Ehemann der Prinzessin, seinen 25. Geburtstag feierte. Der Hof war erfüllt mit Menschen, die ihn liebten und seinen Namen jubelten. Er besiegte den grausamen Riesen von Tomba, bezwang den Zauberer von Limtini und verhinderte die Flut, die vom Binibi Meer aus, hereinzubrechen drohte. Magrabah war jetzt eine friedvolle Stadt und niemand wagte sich den Frieden, in dieser beschützten Stadt zu stören. Dennoch war Aladin nicht zufrieden.

Aladin saß hinter der Bankett-tafel. Neben ihm, seine Frau und sein bester Freund, der Geist aus der Flasche. Und während die Chöre der Menge Lieder über ihn sangen, die durch alle Zeiten fort bestehen würden, stütze er sein Kinn auf seinem Handballen ab und seufzte.

“Verzeihen Sie, Prinz Aladin,” sprach eine hohe Stimme von unterhalb der Tafel.

Aladin lehnte sich vor, um in das verstaubte Gesicht eines etwa sechs-jährigen Kindes zu blicken, das nicht viel größer war, als er selbst in dem Alter. Ein glänzendes Lächeln strahlte über das Engelsgesicht.

“Ja, Caleb, das ist doch dein Name, nicht war?”

Oh, ja, Prinz Aladin,” grinste der Junge, begeistert darüber, dass Aladin seinen Namen kannte. “Ich wollte Euch das hier geben. Es ist nicht viel, aber es ist mein ganzer Besitz.”

Der Junge streckte seine kurzen, dicken, dunklen Arme aus und überreichte Aladin eine kleine Kiste. Aladin begutachtete die Kiste und wunderte sich, woher eines jener Kinder, die manche mit “Straßenratten” vergleichen, sie herhaben könne. Wenn er daran dachte, dass er selbst, in seinen schwersten Zeiten, kaum etwas Brot gefunden hat, wunderte er sich darüber , dass diese “Ratten” es heutzutage so gut hatten, sich eine solche Kiste leisten zu können.

“Bitte, Prinz Aladin, öffnen Sie sie.”

Aladin blickte zu dem Jungen herab, noch erstaunter darüber, dass er sich sogar noch mehr leisten konnte. Vorsichtig zog er an dem farbigen Band, das um die Kiste gebunden war und nahm den Deckel ab. In ihr drin lag ein Apfel.

Aladin starrte den Apfel an. Zuvor hatte er davon nur Bilder auf alten Rollen gesehen.

“Woher hast du das?” fragte Aladin mit einer sichtlich überrascht klingenden Stimme.

“Ich habe es eingetauscht. Aber es war ein Abenteuer,” sagte der Kleine stolz. “Ich wollte Euch etwas Besonderes zu Eurem Geburtstag schenken.”

Aladin sah den Jungen erstaunt an. Der Junge hätte er sein können, im Alter von sechs Jahren. In diesem Alter hatte er selbst nichts für unmöglich gehalten.

“Danke!” sagte er, noch immer verdutzt. “Dies ist das großartigste Geschenk, das ich je bekam und ich habe einen Flaschengeist zum Freund”, sprach er, in des Jungen große Augen blickend.

Mit einem breiten Lächeln im Gesicht lief der Junge davon, und Aladin betrachtete noch immer den Apfel. Als er ihn sich ganz genau anschaute, sah er etwas, das niemand sonst hätte sehen können: das Abenteuer des Jungen. Er sah die Freiheit des Jungen. Er sah seine eigene Zukunft.

Gerade als das Singen sich mehr und mehr zu einem Höhepunkt steigerte, wurde es von Aladins atemberaubend schöner Frau unterbrochen.

“Eine Rede Aladin. Halte eine Rede!” Sagte sie ihn anblickend.

In seinem Geiste immer noch an Abenteuer denkend, erhab er sich. Die Jubelschreie strömten aus der Menge. Aladin sah zu seiner Frau hinüber. Sie war sogar noch schöner als das Mädchen, das er vor fünf Jahren ehelichte, aber sie war anders. Anstatt verrückt vor Liebe zu werden, hat sich die Beziehung der beiden in eine Freundschaft verwandelt. Das war nicht unangenehm, aber es war auch keine Liebe.

“Rede, Rede!” johlte die Menge.

Aladin, noch immer in Gedanken versunken, griff zu seinem Kelch um seine Worte zu sammeln.

“Danke, meine geliebten Freunde,” sagte er und drehte sich zu dem Geist und seiner Frau. “Und Danke an meine Mitmenschen von Magrabah. Es war eine aufregende Reise, von dem Zeitpunkt an, als ich meinen Freund den Flaschengeist traf, bis dahin, wo wir uns heute befinden. Und während wir hier stehen, bedroht niemand unsere Stadt, ist niemand hungrig und jeder ist glücklich.”

Das Volk jubelte dankbar. Aladin blickte erstaunt. Als die Schreie aufhörten sprach er. Er wusste nicht so recht, was er sagen sollte und als er es dann sagte, überraschte es ihn ebenso.

“Jetzt, da alle glücklich und zufrieden sind, ist es an der Zeit für mich zu gehen.”

“Was?” schrien einige aus der Menge.

“Nicht für immer,” versicherte Aladin. “Aber ich muss gehen.”

Die Menge murmelte besorgt.

Aladin, der ein verloren geglaubtes Gefühl der Erregung in sich verspürte drehte sich um zu seiner Frau und ihrem Vater, dem Sultan, der ihn mit offenem Mund ansah.

“Ich verstehe das nicht. Wohin willst du?” fragte die Prinzessin.

Der Gedanke staute sich in seinem Bewusstsein bevor er aus ihm herausbrach. “In das Land des Drachen,” sagte er mit einem Glänzen in seinen Augen.

“Wohin?” wiederholten einige in der Menge ungläubig.

“Das Land des Drachen!” sagte Aladin auf den Tisch springend. “Es existiert ein Land, das in den Schriften erwähnt wird, in dem sich die Menschen fürchten, vor einer riesigen, unheimlichen, fliegenden Bestie.” Aladin breitete seine Arme aus und machte Flugbewegungen, die seinen ordentlich umgelegten Umhang hinter ihm zum flattern brachten. ”Sie greift sich nachts Kinder.” Er sprang vom Tisch und schnappte mit seinen Zähnen nach einem kleinen Mädchen, das sich ängstlich an ihre Mutter klammert.

Die Menge hielt den Atem an bei der Vorstellung an die Bestie.

“Seine Haut ist so hart wie die Mauern unserer Stadt und seine Flügel sind so gewaltig, dass würde es sie ausbreiten, sie die Sonne verdunkeln würden und wir sofort einen Winter hätten.”

Die Menge machte ein lautes Ahhh.

“Bürger von Magrabah, ich kann diese Leute nicht weiter in dieser Angst leben lassen. Nicht wenn ich weiß, wie sehr sie leiden.”

“Wie kann so eine Bestie existieren?” schrie jemand in der Menge.

“Aber wir brauchen dich hier,” rief eine Frau mittleren Alters.

Die Prinzessin stand hinter der Bankett-tafel und veranlasste Aladin dazu, sich zu ihr zu drehen. “Aber es existiert wirklich. Ich habe diese Geschichten ebenfalls gelesen. Es ist eine furchteinflößende Bestie mit riesigen gelben Augen und Stacheln, die von seinem Kopf bis hin zu seiner speerartigen Schwanzspitze reichen. Und es ist unser aller Alptraum, dass sich diese Kreatur eines Tages auf den Weg nach Magrabah macht und uns das antut, was es momentan mit den Menschen im Norden macht.

Aladin sah seine Frau an und fühlte einen Funken, den er seit Jahren nicht fühlte. Er war sich nicht sicher, ob das, was seine Frau über das Eintreffen der Bestie sagte, die Wahrheit war, aber die Art, wie sie ihn verteidigte war etwas, das er nicht übersehen konnte.

“Was wirst du tun, Prinz Aladin?” rief der Junge, der ihm den Apfel gegeben hatte.

“Ich werde den Drachen finden und ihn töten.”

“Aber die Stadt wird während deiner Abwesenheit ohne Schutz sein,” schrie ein Mann.

“Nein, denn ihr werdet einen Flaschengeist haben,” sprach er, sich zu dem Geist umdrehend, der überrascht war nicht mitgehen zu würden. “”Und ihr werdet Magrabahs tapfere Bürger haben,” sagte er während er sich zu Caleb drehte, “die ihr Leben riskieren werden um euch zu beschützen. Aber ich, ich muss gehen. Aber falls Margrabah je wieder in Gefahr sein sollte, dann werde ich zurückkehren.”

In einer Woge aus Dankbarkeit brüllte die Menge seinen Namen aufs Neue. “Aladin! Aladin!” Er kehrte an den Tisch zurück, nahm er die Hand der Prinzessin in seine und sah ihr tief in die Augen. Sie lächelte zurück, wissend, dass dieser Tag kommen würde. Sie hatte ihn immer schon für einen Helden gehalten, der zu groß war um an einem Ort zu bleiben und fühlte sich dankbar für jeden Tag den sie mit ihm zusammen verbringen durfte. Sie wusste, er würde eines Tages gehen.

Aladin küsste seine Frau auf den Mund und ließ ihre Hand los. Er drehte sich um zu dem Flaschengeist der, obwohl er traurig war, seine Pflicht tun und die Stadt beschützen würde. Es war ihm eine Ehre. Dann, durch ein Klatschen Aladins Hände, flog der fliegende Teppich durch ein Burgfenster und landete zu seinen Füßen. Schnell wickelte er noch etwas zu essen in ein Tuch, nahm den Apfel in seine Hand, stieg auf den Teppich und erhob sich in die Lüfte.

Während die Jubelrufe lauter wurden, hob Aladin den Apfel über seinen Kopf und machte eine zaghafte Handbewegung um den Teppich umzudrehen. Aladin machte noch einen letzten Sturzflug über die ihn bewundernde Menge, dabei entwaffnete er einen Wächter im Vorbeifliegen und nahm sein Schwert mit. Die Menschen jubelten. Er flog knapp über den Köpfen der Menschen, die in der Reihe standen, über die dicken Mauern von Magrabah und hinein in den strahlend blauen Himmel.

Sogar als die Schreie leiser wurden drehte sich Aladin nicht um. Seine Zukunft lag vor ihm und es gab kein Zurückschauen, auch wenn er nie wiederkehren würde.

Als Aladin außer Sichtweite der Menschen von Magrabah war, ging er auf die Knie und lehnte sich nach vorne. Mit seinen Lippen nah am Teppich flüsterte er zu ihm.

“Bring mich ins Land des Drachen.”

Der Teppich rollte sich daraufhin auf magische Weise um Aladin rum und erhöhte dann seine Geschwindigkeit auf ein beträchtliches Maß. Die Wolken über Aladins Kopf gingen schneller vorüber, als er es je gesehen hat und der Boden unter ihm peitschte mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit vorbei.

Aladin setze sich aufrecht in den Schneidersitz und machte es sich gemütlich. Er wusste nicht, wie lange die Reise dauern würde, aber er wusste, dass in den Geschichten, die er gelesen hat, stand, der Drache würde in einem Land mit weiten, grünen Wiesen leben.

Wenn er bedenkt, dass er auf seinen Reisen bisher nur weite Wüstenlandschaften sah, wusste er, dass die Reise in das magische Land des Drachen Tage dauern würde.