VERSOHLEN IHRER KURVEN 2

Danielle Jamison stöhnte, als das Flugzeug auf die Landebahn aufsetzte. Nicht wegen dem Kater, sie war es gewohnt, einen Kater zu haben. Es war wegen dem, was sie erwartete, wenn sie das Flugzeug verlassen hatte.

Ihre Eltern hatten schon mehr als einmal Sprüche wie: “Schluss mit Lustig” und “sich zusammenreißen und auf die rechte Spur kommen” gebracht. Sie meinten, es würde sie in den Wahnsinn treiben, wie Danielle sich am College ständig an- und wieder abmeldete. Sie wollten nicht, dass sie die ganze Nacht lang Party mit ihren Freunden machte und dann den ganzen Tag lang schlief. Was sie selbst wollte, war ihnen egal. Solange sie unter ihrem Dach wohnte, ihr Geld ausgab, hatte sie ihren Regeln zu folgen. Da spiele es keine Rolle, dass sie eine 22-jährige Erwachsene war.

Die verrückte Idee ihrer Eltern, reichte schon, damit ihr übel wurde, auch ohne Kater. Sie auf den Freizeitbauernhof der Familie nach Wyoming zu schicken, war die schlimmstmögliche Bestrafung. In Wyoming gab es nichts außer Felsen und Himmel. Ihre Mutter hatte sich sogar geweigert, ihr eine Limo vom Flughafen zur Ranch zu spendieren, und ihr gesagt, jemand von der Big-J Ranch würde sie abholen kommen.

Sie trödelte herum und stöhnte, als sie sich aus ihrem Sitz schälte. Als die Flugbegleiterin sie fröhlich in Casper willkommen hieß und fragte, ob sie Hilfe bräuchte, grunzte sie sie nur an. Sie trödelte noch weiter, fummelte ihr Handy aus ihrer Handtasche und wartete, bis es eingeschaltet war, bevor sie gemächlich den Gang Richtung Ausgang hinauf schlurfte.

Sie hatte ihren Eltern versprochen anzurufen, sobald sie gelandet war. Aber sie hatte ihnen in den letzten Jahren eine Menge Dinge versprochen gehabt. Sie hatten sie schon tausend Meilen ins Nirgendwo geschickt. Was konnten sie ihr noch antun? Also fing sie an, ihre Freunde anzurufen, aber natürlich ging niemand dran. Nach ihrer Abschiedsparty schliefen alle noch.

Das Terminal hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Flughafen in New York. Es gab so gut wie nichts: keine Geschäfte, keine Restaurants, einfach nichts. Das einzige, das es gab, waren Leute, die sich beeilten weg zu kommen.

Danielle stolperte bis zur Gepäckausgabe und fand eine Bank. Erleichtert setzte sie sich wieder und stützte ihren dröhnenden Kopf auf ihren Händen ab. Vielleicht ließen sie ihre Eltern wieder nachhause kommen, wenn sie krank wurde.

“Sie müssen Miss Jamison sein,” sagte eine raue Stimme.

Danielle hob ihren Kopf und sah ein Paar abgewetzte Cowboystiefel und verwaschene Jeans vor sich. “Jawohl. Wer sind sie?”

“Ich bin Tim Slade, der Vorarbeiter auf der Ranch deines Vaters,” antwortete er. “Haben sie Gepäck?”

“Klar,” antwortete Danielle mit einem gelangweilten, desinteressierten Tonfall. Natürlich hatte sie Taschen dabei. Der dachte doch nicht wirklich, dass sie nur mit ihrer Handtasche hier raus kam, oder?

“Dann holen sie sie am besten und kommen dann mit,” sagte der Vorarbeiter schroff. “Die Arbeit wartet.”

Das brachte Danielle dazu, ihren Kopf zu heben und ihn anzugaffen. Er war in etwa im Alter ihres Vaters, aber sein Gesicht war von Sonne und Wind gegerbt. Sein Gesichtsausdruck sah aus, als hätte er niemals im Leben gelächelt oder gelacht. “Ich selbst?” fragte sie ungehalten.

Er hob die Hand, um den Rand seines Hutes etwas anzuheben. “Ihr Vater sagte schon, sie wären willensstark. Ich ging davon aus, dass sie keine Hilfe brauchen.”

“Da liegen sie falsch,” erwiderte sie schnippisch und stand langsam auf. “Ich wurde für zwei Wochen hier raus geschickt und habe eine Menge Zeugs mitgebracht. Ich brauche Hilfe mit meinen Sachen.”

“Jawohl Ma’am. Ich hole einen Wagen,” sagte er trocken.

Danielle hob ihr Kinn, als es sich umdrehte. Er hatte nicht vor, dass sie die Arbeit machte, oder? Was für ein Mann war das? Sie konnte es nicht glauben. Das war nicht fair.

Er stand nur daneben, während sie ihre Taschen auf dem Gepäckwagen auftürmte, dann bot er ihr nicht an, ihn für sie zu schieben, obwohl er richtig schwer war. Sie zerrte ihn hinter ihm her, durch die Tür nach draußen. Zu ihrer Bestürzung, aber nicht wirklich überraschend, führte er sie zu einem verbeulten Pickup Truck. Er öffnete die Heckklappe und stieg ins Fahrerhaus ohne ihr anzubieten, ihr beim Aufladen ihrer Taschen zu helfen.

Danielle kramte in ihrer Handtasche nach ihrer Sonnenbrille. Das Licht war so grell, dass sie dachte, sie müsste sich gleich auf den Gehweg übergeben. Als sie die Brille auf hatte, fühlte sie sich besser. Sie hievte ganz allein ihre Taschen auf die Ladefläche des Trucks und fühlte sich dadurch noch besser. Sie brauchte die Hilfe vom ollen Mr. Slade nicht. Aber als sie versuchte, die Ladeklappe zu schließen, sprang sie immer wieder auf, bis ihr Kopf brummte.

“Ich mach das,” sagte er und winkte sie zum Fahrerhaus, so als würde er ihr einen riesigen Gefallen tun.

Danielle klettere auf den Beifahrersitz und zog die Tür zu. Als sie sich zurücklehnte, seufzte sie vor Erleichterung. Nach einem Moment öffnete sie ihre Handtasche und holte ihr Telefon und Zigaretten raus. Aber bevor sie sich eine anzünden konnte, griff Mr. Slade ein.

“Nicht hier drinnen, unterstehen Sie sich,” sagte er, als er ins Fahrerhaus kletterte und den Motor anwarf. “Sie können die auch gleich wegwerfen. Auf der Ranch ist Rauchen verboten.”

“Was meinen sie?” protestierte Danielle. “Sie wollen mir doch nicht sagen, dass ich zwei Wochen lang nirgends eine Zigarette rauchen kann.”

“Anweisung ihrer Eltern,” antwortete der Vorarbeiter, ohne sie dabei anzusehen. “Haben sie sie schon angerufen?”

“Nein,” sagte sie schmollend und lungerte sich auf ihren Sitz.

“Dann machen sie das besser mal. Ihr schickes Telefon können Sie auf der Ranch nämlich auch nicht haben.”

“Was!”

“Fragen sie sie selbst.” Slade hatte beide Hände locker auf dem Lenkrad liegen und Danielle hätte schwören können, dass er von ihrem Ausbruch amüsiert war. “Sie sind hier zum Arbeiten, Fräuleinchen, nicht zum Urlaub.”

Danielle rief zuhause an und ihrer Mutter ging ans Telefon. Sie fingen sofort an zu streiten und ihr Vater schaltete sich am anderen Apparat mit ein. Es half nichts, ihre Eltern blieben hart. Sie hatten sich Sorgen um sie gemacht und das hier war ihre Lösung. Sie gingen davon aus, dass sie sich in etwas anderes verwandeln würde, wenn sie sie dazu zwangen auf der Freizeitranch zu arbeiten, ohne ihr Handy, ohne Zigaretten, Alkohol oder irgendeinem anderen Spaß. Was das sein sollte, sagten sie aber nicht.

“Warum hasst ihr mich?” heulte Danielle.

“Schatz, wir hassen dich nicht,” sagte ihr Vater. “Erkennst du das nicht? Jedes mal, wenn wir versuchen, dir zu helfen, sagst du, wir würden dich hassen.”

Ihre Mutter begann noch etwas zu sagen, aber Danielle legte einfach auf. Sie sagten immer die gleichen Sachen. Sie würden nicht zulassen, dass sie irgendeine Form von Spaß hat. Sie machten sie immer so nieder. Sie erinnerten sich einfach nicht mehr, wie es ist, jung zu sein.

Vom Flughafen zur Ranch brauchte man fast eine Stunde, und sie weinte fast die ganze Strecke lang. Der Vorarbeiter sagte nichts, aber als sie zu der Abfahrt von der Überlandstraße kamen, hatte er schließlich doch etwas Mitleid mit ihr.

Er hielt den Truck genau vor dem traditionellen Torbogen an, der am Anfang der Privatstraße zur Big-J Ranch stand. Als Danielle ihn ansah, sagte Mr. Slade: “Sie können nochmal raus hüpfen und eine Letzte Kippe rauchen. Ich denke, niemand wird es sehen. Passen sie nachher nur auf, dass der Stummel richtig aus ist.”

“Danke,” sagte sie und griff nach dem Türöffner.

“Keine Ursache,” sagte er. “Ich bring ihre Sachen hoch zum Haus. Trödeln sie nicht zu lange. Wie ich gesagt hab, die Arbeit wartet auf uns.”

Danielle stieg aus und zündete gierig eine Zigarette an. Der Truck war schneller weg, als sie realisieren konnte. Sie lehnte sich gegen den Lattenzaun und fühlte sich vom Nikotinrausch benebelt. Ihre Eltern, der Flug, das alles stresste sie. Wenigstens war ihr Kater so gut wie weg. Als sie merkte, wie ihr Geist klarer wurde, sah sie sich um und bemerkte, wie hübsch der Himmel hier war. Es war blauer, als man sich vorstellen konnte. So blau war er in New York nie.

Danielle holte ihr Handy heraus und sah sofort, dass sie keinen Empfang hatte. “War ja klar,” dachte sie angenervt. Es machte keinen Unterschied, ob ihre Eltern erlaubten, es zu nutzen, oder nicht. Hier draußen im Nirgendwo hatte sie sowieso kein Netz. Sie konnte von einer Schlange gebissen werden oder von Banditen angegriffen werden und hätte keine Hilfe rufen können. “Das könnte meinen Eltern so passen, mich auf diese Weise los zu werden,” dachte sie.

Sie seufzte, ließ den Zigarettenstummel fallen, erinnerte sich daran, was Mr. Slade gesagt hatte, wegen dem nicht brennen lassen. Das Gras ringsherum sah sehr trocken aus. Sie trat ihn aus und zündete sich noch eine an. Wenn sie keine mehr rauchen werden dürfte, konnte sie auch noch ein paar haben, solange sie noch konnte.

 

 

Es war schon fast zwei Stunden her, seit er das Gepäck des Mädchens vom Truck auf die Veranda geladen hatte. Die Arbeiten, die er in Sichtweite der Straße erledigen konnte, waren ihm ausgegangen. Sie war noch immer nicht aufgetaucht.

“Owen” rief der Vorarbeiter. Sein Sohn kam sofort angetrabt, während er noch ein Lasso aufwickelte. “Ich wette, das Mädchen ist noch immer an der Hauptstraße. Geh runter und hol sie.”